Der Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren Bedarf des Menschen
Der Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren Bedarf des Menschen
Um diesen komplexen Sachverhalt in Handlungstipps zu überführen, werden in Tab. 3 die Werte für die Mindestzufuhr an LA und ALA sowie EPA und DHA aufgeführt und im Anschluss die konkreten täglichen Zufuhrempfehlungen im Rahmen einer veganen Ernährung dargestellt.
Solange der Säugling gestillt wird, die Mutter adäquat mit allen essenziellen Fettsäuren versorgt ist und durch eine Ergänzung mit Mikroalgenöl auch die DHA-Versorgung der Mutter sichergestellt ist, wird auch der Säugling über die Muttermilch ausreichend versorgt.68 Wenn der Säugling nicht gestillt wird, benötigt er eine ausreichende separate Zufuhr von DHA.
Säuglingsanfangsnahrung auf pflanzlicher Basis wird oft bereits DHA zugesetzt, um eine Versorgung damit sicherzustellen. Sollte das Produkt jedoch kein DHA enthalten, wird eine Supplementierung in der Höhe von 10- 12 mg/kg Körpergewicht empfohlen.
Die in Tab. 3 angegebenen Werte für die prozentuale Zufuhr an LA und ALA im Verhältnis zur Gesamtkalorienzufuhr verstehen sich als Minimalzufuhr und können auch durchaus in höherem Maße zugeführt werden. Sie gelten außerdem lediglich unter der Voraussetzung, dass EPA und DHA über die Nahrung aus Mikroalgen zugeführt werden. Das Institute of Medicine (IOM) hat für beide Fettsäuren daher auch eine sogenannte AMDR (Acceptable Macronutrient Distribution Range) festgelegt, die jene Schwankungsbreite der Zufuhr an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren aufzeigt, die im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung zulässig ist. Diese Spannbreite beträgt für LA 5-10 % und für ALA 0,6-1,2 % der Gesamtenergie.69 Wenn man von einer 60 kg schweren, 40-jährigen weiblichen Büroangestellten mit einem durchschnittlichen Kalorienbedarf in Höhe von 1.900 kcal pro Tag ausgeht, dann beträgt ihre Mindestzufuhr an essenziellen Fettsäuren etwa 5 g LA und etwa 1 g ALA.70 Im Rahmen ihres gesamten Spielraums könnte sie aber zwischen 10-20 g LA und zwischen 1-2,5 g ALA zuführen, wenn sie ihre Versorgung mit EPA/DHA separat über Mikroalgenöl sicherstellt.71 In einer Veröffentlichung speziell zum Thema der Optimierung einer Omega-3-Zufuhr bei veganer Ernährung wird im Falle einer fehlenden separaten EPA/DHA-Quelle aus Mikroalgenöl empfohlen, zur Kompensation die Zufuhr an ALA im Vergleich zu den offiziellen Empfehlungen mindestens zu verdoppeln.72 So kann zumindest genügend Substrat für die endogene Bildung von EPA und DHA bereitgestellt werden. Durch die Erhöhung von ALA beim Beibehalten der Zufuhr von LA kann außerdem ein günstigeres Verhältnis von LA zu ALA in Höhe von mindestens 2:1 erreicht werden. In diesem Fall ist eine Zufuhr an ALA in Höhe von etwa 1- 2 % der Gesamtkalorienzufuhr erstrebenswert. Dies würde bei der weiblichen Beispielperson mit 1.900 kcal eine Zufuhrempfehlung von etwa 2-4 g pro Tag ergeben. Wie hoch die Zufuhr im Endeffekt genau sein wird, entscheidet sich anhand der Zufuhr an LA, die mit höherer Zufuhr auch die benötigte Menge an ALA erhöht, um beim erwünschten Verhältnis von etwa 2:1 zu bleiben. Wenn die Person sich also für eine Zufuhr von 4 g ALA entscheidet, sollte sich ihre Zufuhr an LA im Bereich von etwa 8 g pro Tag bewegen.
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in pflanzlichen Lebensmitteln
In welchen Mengen die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in unterschiedlichen Lebensmitteln enthalten sind, stellen Abb. 13 und Abb. 14 auf der folgenden Seite dar. Sie zeigen jeweils den Gesamtgehalt an Omega-3- und Omega-6- Fettsäuren sowie ihr Verhältnis zueinander in ausgewählten Pflanzenölen und in vollwertigen fettreichen Lebensmitteln.
Damit bekommt man ein Gefühl dafür, welche Lebensmittel es in diesem Kontext vermehrt zu verzehren und welche es tendenziell zu reduzieren gilt.
Damit die weibliche Beispielperson ihren Mindestbedarf an LA in Höhe von 5 g decken kann, könnte sie also beispielsweise täglich 18 g Sonnenblumenkerne oder 38 g Mandeln essen und hätte damit schon 100 % ihres Mindestbedarfs gedeckt.75 8 g (2 TL) Sonnenblumenöl liefern ebenfalls bereits den gesamten Mindestbedarf an LA. Durch die flexiblen Vorgaben und der großen Schwankungsbreite für die Zufuhr an Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren könnte sie aber auch mehr als das Doppelte davon essen und wäre damit weiterhin im Normalbereich.
Abb. 13: Das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren in Pflanzenölen73
Verhältnis Omega-3- zu 0 mega-6-Fettsäuren
Darstellung ALA und LA in absoluten Zahlen zueinander in Milligramm pro 100 Gramm
1
Leinsamen
Verhältnis Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren
1
4zu 1
Darstellung ALA und LA in absoluten Zahlen zueinander in Milligramm pro 100 Gramm
1
17.000
Leinöl
Chiaöl
4 zu 1
3zu 1
53.000
14.000
Sacha-lnchi-Öl
Rapsöl
1 zu 1
1 zu 2
46.800
00
9.600
22.000
f‚Cchitasa;m.e;n;;;; 3–z3u 1
Sacha lnchi Samen 1 zu 1
Hanfsamen geschält 1 ZU 3
ri iii
6r.77r0
7.300
-
— 20.740
14.000
13.000
18.600
Hanföl 1 zu 3
22.000
56.000
Walnuss 1 zu 4
o
7.830
34.000
Walnussöl
1 zu 4
12.000
52.000
Oliven 1 zu 9 li1.120
Weizenkeimöl
1 zu 7 1 ::2 7.800
7.700
8.300
56.000
53.000
56.000
Sojabohnen 1 zu 10 8930
9.800
Erdnüsse
1 zu 26 11530
1 zu 30 F
14.000
630
19.000
1 zu 49 1150
l 260
420
7380
13.000
8.500
28.000
49.000
66.000 31.000
75.000
62.200
■
■
-
Sehr gutes Verhältnis (Überschuss an Omega-3-Fettsäuren) Omega-3-Feltsäuren Ausreichend gutes Verhältnis (leichter Überschuss an Omega-6-Fettsäuren) – Omega-6-Fettsäuren Ungenügendes Verhältnis (Ausgeprägter Überschuss an Omega-6-Fettsäuren)
-
Sehr schlechtes Verhältnis (Starker Überschuss an Omega-6-Fettsäuren)
Abb. 14: Das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren in Nüssen und Samen74
Um den Mindestbedarf an ALA in Höhe von 1 g zu decken, genügen bereits 2 g Leinöl (½ TL), 6 g geschrotete Leinsamen oder 13 g Walnüsse. Aufgrund des ebenfalls recht hohen Gehalts an LA in der Walnuss würden jene 13 g Walnüsse mit 4,5 g LA auch schon fast 100 % des täglichen Mindestbedarfs dieser Omega-6-Fettsäure der Beispielperson decken. Würde die Person allerdings nicht über die besten Omega-3-Lieferanten in ihrer Ernährung Bescheid wissen und jene Walnüsse, Lein-, Chia- und Hanfsamen sowie deren Öle nicht zu sich nehmen, könnte sie mithilfe anderer Nüsse und Samen ihren Omega-3-Bedarf im Rahmen ihrer Kalorienbilanz und mit Blick auf die Omega-6-Höchstgrenzen kaum adäquat decken.
In
Um die großen Unterschiede der Fettsäurenzusammensetzung zu verdeutlichen, sollen hier ein paar Beispiele genannt werden: Um 1 g der essenziellen ALA zu erhalten, genügen, wie bereits angegeben, etwa 6 g geschrotete Leinsamen. Allerdings bräuchte es knapp 160 g Sesamsamen oder mehr als ein ganzes Kilo Sonnenblumenkerne, um diesen 1 g an ALA zu erhalten. Die unterschiedlichen Samen sind also nicht beliebig austauschbar. Ebenso ist es auch bei den Nüssen. Während schon 13 g Walnüsse 1 g ALA liefern, benötigt die Beispielperson für dieselbe Menge knapp 190 g Erdnüsse oder etwas mehr als 380 g Mandeln. Sesamsamen, Sonnenblumenkerne, Erdnüsse und Mandeln sind weiterhin gesunde Lebensmittel und können und sollten auf täglicher Basis gegessen werden. Sie sind allerdings kein Ersatz für die guten Omega-3-Lieferanten wie Walnüsse, Lein-, Chia- oder Hanfsamen.
Kenntnis sollte man aber nicht nur über die besten Omega-3-Lieferanten haben, sondern auch über jene Lebensmittel, die unverhältnismäßig viel LA liefern und damit das angestrebte Verhältnis von LA zu ALA sabotieren könnten. Diese Lebensmittel gilt es im Rahmen der täglichen veganen Ernährung zu reduzieren. Das betrifft vor allem isolierte Öle mit einer besonders dichten Konzentration an LA, wie Distel-, Traubenkern-, Kürbiskern-, Mohn-, Maiskeim- und allen voran Sonnenblumenöl. Vor allem Letzteres kommt in einer großen Vielzahl an verarbeiteten Lebensmitteln vor und nur wenige pflanzliche Brotaufstriche, Pflanzenmilchsorten, Fertigsaucen oder andere Convenienceprodukte sind frei von Sonnenblumenöl.
Convenienceprodukte gilt es außerdem auch aufgrund ihres oftmals hohen Gehalts an Salz, zugesetzten Fetten, Weißmehl, Zucker sowie ihrer oft hohen Kaloriendichte bei gleichzeitig niedriger Nährstoffdichte stark zu reduzieren.
Im eigenen Haushalt kann das einfache Ersetzen von Sonnenblumen- und Maiskeimöl durch Raps- oder Olivenöl bereits die Gesamtzufuhr an Omega-6-Fettsäuren stark reduzieren. Das heißt aber keineswegs, dass auch vollwertige Lebensmittel mit höherem Omega-6-Gehalt wie Sonnenblumen- oder Kürbiskerne gestrichen werden müssen. Dadurch, dass sie neben ihrem Öl auch noch jede Menge Protein, Ballaststoffe und weitere positive Inhaltsstoffe enthalten, liegt in ihnen das Omega-6-haltige Öl nicht so konzentriert vor wie in reinem Sonnenblumenöl. Auch wenn das Fettsäurespektrum in Sonnenblumen- oder Kürbiskernen identisch mit ihren isolierten Ölen ist, liefern diese Kerne noch zusätzlich eine ganze Reihe an wertvollen Inhaltsstoffen. Außerdem sind beide nicht nur schmackhafte, sondern im Vergleich zu Nüssen auch sehr preiswerte und regionale Nährstofflieferanten, die man gerne weiterhin in den eigenen Speiseplan inkludieren darf. Der Verzehr von Sonnenblumen- oder Kürbiskernen sollte allerdings nicht zu Lasten von beispielsweise Lein- oder Hanfsamen gehen, da deren tägliche Zufuhr ein wichtiger Baustein in einem ausgewogenen Speiseplan mit optimaler Omega-3- Versorgung darstellt.
Außerdem darf in der manchmal ausufernden Sorge um eine zu hohe Omega-6-Zufuhr auch nicht vergessen werden, dass eben auch LA essenziell ist und zwingend zugeführt werden muss. Kommt es durch die manchmal vorherrschende, übertriebene Angst vor den Omega-6- Fettsäuren im Rahmen einer veganen Ernährung zu einem größeren Verzicht auf LA, dann kann sich dies ebenfalls gesundheitlich abträglich auswirken.
Ein wirklicher Mangel an LA ist zwar unwahrscheinlich, aber durchaus möglich. Vor allem Menschen, die stark fettreduzierten veganen »High-Carb-Low-Fat« Ernährungsweisen folgen, müssen trotz der reduzierten Zufuhr an Fett dringend ein Auge auf die Versorgung mit essenziellen Fettsäuren werfen und sich ohnehin überlegen, ob sie nicht doch einige vollwertige Fettträger wie Nüsse und Samen aufgrund ihres gesundheitlichen Mehrwertes in ihren Speiseplan einbauen möchten.Th77,78 Diese sind nicht nur sehr nährstoffreich, sondern garantieren auch die Mindestmengen an LA und ALA. Denn wenn man im Rahmen einer Low-Fat-Ernährung neben den Ölen auch sämtliche Nüsse und Samen überwiegend meidet, dann kann es durchaus vorkommen, dass man einen Mangel an den beiden essenziellen Fettsäuren erleidet.
Gängige fettarme pflanzliche Lebensmittel wie Grünkohl, Spinat oder Quinoa sind zwar für sich genommen äußerst gesund, aber sie können kaum das Fehlen von Nüssen und Samen in einer pflanzlichen Ernährung kompensieren. Die 60 kg schwere Beispielperson müsste für die Zufuhr der täglichen Mindestmenge an ALA in Höhe von 1 g (1.000 mg) nämlich etwa 280 g Grünkohl, 750 g Spinat oder ganze 1, 5 kg gekochten Quinoa essen. 79 Selbst recht fettreiche Lebensmittel wie Oliven oder Avocados liefern nur moderate Mengen an LA und äußerst geringe Mengen an ALA, weil ihr Fettsäurespektrum hauptsächlich aus einfach ungesättigten Fettsäuren besteht. Das ist gesundheitlich durchaus wertvoll und trägt zumindest nicht zum Überfluss an LA in der Ernährung bei. Gleichzeitig kommt es aber auch nicht zu einer ausreichenden Versorgung mit ALA. Um den täglichen Mindestbedarf an ALA durch Oliven oder Avocados zu decken, müsste die Beispielperson knapp 770 g Oliven oder etwa 630 g Avocadofruchtfleisch verzehren. Außerdem stellt 1 g ALA wie erwähnt die absolute Mindestzufuhr dar und viel mehr als 1 g wird man in nahezu nuss-, samen- und ölfreien Ernährungsweisen nicht zuführen können.
Die Mindestmenge an LA ohne Öle, Nüsse, Samen oder andere fettreiche Lebensmittel zu erhalten, ist möglich, allerdings nur, wenn man auf fettreichere Getreide wie Hafer, Pseudogetreide wie Quinoa oder Amaranth und fettreichere Hülsenfrüchte wie Soja zurückgreift. Für gesunde Menschen spricht jedoch nichts gegen den täglichen Verzehr von Nüssen, Samen oder anderen fettreichen, vollwertigen Lebensmitteln, wie im Kapitel über Nüsse und Samen dargestellt wird. Im Gegenteil spricht aus gesundheitlichen Gründen sehr viel dafür. Somit kann für beinahe jede Person in jeder Lebensphase der täg]iche Konsum von Nüssen und Samen empfohlen werden.