Hormone – chemische Bote
Wozu Hormone? Für die Schönheit natürlich, für die Faltenfreiheit, für Jugendlichkeit, für Vitalität, für mehr Sex, kurz, für all das, was Sie auf dem Cover von Frauenzeitschriften abgebildet finden. Schön. Gut. Und wozu brauchen wir sie wirklich?
Ganz einfach: Hormone sind Botenstoffe. Die dringen in die Zelle, in den Zellkern ein, legen sich an die DNA (Ihr genetischer Apparat) und sagen der DNA etwas ganz Simples: Sie möge bitte ein ganz bestimmtes Eiweiß produzieren. Und dann tut die genau dies. Sie produziert Eiweiß. Stellen Sie sich das gerne vor wie den Anruf beim Schreiner: Sie rufen an, bestellen einen Schrank, der Schreiner geht los in sein Lager, holt das passende Holz und baut Ihnen einen. Das klappt, weil sein Telefon funktioniert UND weil sein Holzlager voll ist. Übertragen: Wenn Sie Hormone einnehmen, aber keine Aminosäuren, haben Sie gewissermaßen nur das Telefon, aber kein gefülltes Materiallager. Dann können die unzähligen Proteinfabriken in Ihren Zellen, die Ribosomen, kein neues Eiweiß bauen. Für Ihren Alltag heißt das: Immer Hormone und Aminos zusammen einnehmen. Da haben Sie mehr davon.
Das Wort Hormon leitet sich vom griechischen horman ab und bedeutet: »in Bewegung setzen, antreiben, anregen«. Der Begriff wurde 1906 geprägt, genau zu der Zeit, in der auch Emil Fischer in seinem Berliner Labor Proteine kochte. Zu dieser Zeit versuchten zwei englische Pioniere der Physiologie, Ernest Henry Starling und William Maddock Bayliss, den wundersamen chemischen Boten auf die Spur zu kommen, die offenbar aus »Drüsen« in den Blutkreislauf abgegeben wurden, um andernorts ganz bestimmte Wirkungen auszulösen.
Heute wissen wir, dass nicht alle Hormone aus einer Kette von Aminosäuren bestehen, so, wie wir das bei Insulin gesehen haben. Das männliche Sexualhormon Testosteron zum Beispiel ist nichts weiter als ein Gebilde aus 19 Kohlenstoffatomen, 28 Wasserstoffatomen und zwei Sauerstoffatomen (C19H2802). Bis aber dieses Ding bei Ihnen für inneren Antrieb sorgt, muss eine Menge passieren: Aus Glukose (C6H1206) muss in der Leber Cholesterin gebaut werden (C27H460), erst daraus lässt sich dann Testosteron konstruieren. Das passiert mithilfe von Enzymen, die wiederum aus Aminosäuren bestehen – und das ist der Grund, warum Testosteron mit Eiweiß ansteigt und warum es zusätzlich auch Zink braucht. Und so sieht das dann aus:

Kleines Molekül, große Wirkung: Modell und Strukturformel des männlichen Sexualhormons Testosteron. Illustration: Chromatos. © Shutterstock.com (chromatos)
Komplexer als Testosteron sind unsere biogenen Amine aufgebaut. Sie tragen eine oder viele Aminogruppen und dienen im Körper als Hormone, aber auch als Botenstoffe und »Cofaktoren« – die hängen an anderen Proteinen oder Enzymen dran oder sind gleich ganz eingebaut, jedenfalls helfen sie bei biochemischen Reaktionen mit. Zu diesen biogenen Aminen gehören eine Menge alter Bekannter: die Glückshormone Serotonin und Dopamin, die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin, das Schlafhormon Melatonin und der Konzentrationsbooster Histamin.
Aus molekularmedizinischer Sicht sind Hormone also sehr unterschiedliche Kandidaten. Sie werden auch an sehr unterschiedlichen Orten produziert. Längst nicht alle kommen aus »Drüsen«, manche – etwa Prostaglandine, Serotonin, Histamin – werden auch direkt im Gewebe hergestellt. Was alle Hormone auszeichnet, ist jedenfalls dies: Sie werden an einem bestimmten Ort im Körper hergestellt, sie wirken an einem anderen Ort im Körper, und sie haben alle sehr unterschiedliche Aufgaben.
Wenn wir nicht genug Hormone herstellen, liegt das oft daran, dass wir uns zu wenige Aminosäuren gegönnt haben. Oder nicht alle, die wir brauchen. Doch auch wenn wir alle 21 Aminos gegessen haben, kann der Hormonbau scheitern. Die Schilddrüse zum Beispiel kommt mit der Hormonproduktion nicht hinterher, wenn ihr Jod fehlt. Sie funktioniert auch nicht richtig bei Selenmangel. Denn ohne Selen klappt die Umwandlung von Thyroxin in Trijodthyronin nicht. Und ohne Trijodthyronin klappt der Stoffwechsel nicht. Das Dramatische selbst bei geringen Fehlfunktionen der Schilddrüse ist, dass Sie sich permanent müde fühlen, dass Sie unter Verstopfung leiden, unter Muskel- und Gelenkschmerzen und dass Sie immer dicker werden – oft ohne Ahnung, warum. Heißt konkret: Lassen Sie eine Schilddrüsenunterfunktion im Zweifelsfall von einem Labor abklären.